Dienstag, 3. März 2009

Мінск: горад-герой - Minsk: Heldenstadt

Also, wie sieht Minsk aus? Es hat alles, was man von einer Stadt erwarten würde, die unter Sowjetherrschaft erbaut wurde, nachdem wir Deutschen im Zweiten Weltkrieg alles zerstört haben. Dafür hat sie auch den Titel Heldenstadt bekommen, aber aus der interessanten Geschichte mögen andere Leute erzählen, die davon mehr Ahnung haben. Ich bleibe erstmal beim heute und jetzt.



Auffällig ist als erstes die "anachronistische Architektur" mit Plattenbauten und breiten Prospekts dazwischen. Das klingt zuerst ein bisschen abschreckend, aber dann braucht man nur eine kurze Zeit, sich dran zu gewöhnen und es zu mögen. Neuere Häuser weichen ganz nett von der Form eines grauen Würfels ab, sind sogar bunt und haben andere Formen und Dekorationen. Der sichtbare Vorteil wenn man nach oben baut ist, dass man in der Breite eine Menge Platz übrig hat (der zu dieser Zeit schneebedeckt war), so dass man zum Beispiel eine achtspurige Straße dazwischen bauen und immer noch Wiese und Bäume drumherum haben kann. Das macht Verkehr auch viel weniger problematisch.

Zumindest im Zentrum sind die Häuser nicht so heruntergekommen wie Gerüchte einen glauben machen wollen. Alles gepflegt, nett angestrichen und nachts beleuchtet – meistens sogar nicht einfach so, sondern in wechselnden Farben. Zusammen mit der reichlich vorhandenen Weihnachtsbeleuchtung (in allen Farben blinkend), die vom Schnee reflektiert wird, ist das auf seine eigene Art ganz hübsch. Die Stadt hat keine Skyline oder ein gedrängtes Zentrum, sondern erstreckt sich entlang verschiedener Prospekte mit einem Fluss, der sich dazwischen windet und schon wieder Platz für Parks bietet. Die Prospekte sind einigermaßen gerade, wie es sich gehört, aber nicht immer rechtwinklig, so dass es nicht langweilig aussieht und der Orientierungssinn gefordert wird.

Das interessanteste Gebäude ist am Rand des Stadtzentrums an einer solchen breiten Straße, drin ist die Nationalbibliothek von Weißrussland. Je nachdem, kann man es mit einem Diamanten, dem Todesstern oder einen Rollenspiel-Würfel vergleichen – jedenfalls sehr auffällig. Noch viel verrückter ist, dass die Fassade mit farbigen Glühbirnen bedeckt ist, so dass es quasi der seltsamste Bildschirm ist, den ich je gesehen habe. Natürlich benutzen sie den auch ständig und zeigen alles von einer Laufschrift (ich nehme mal an, dass das eine Wilkommensbotschaft war), über die animierte Nationalflagge bis zu einem Bildschirmschoner, das heißt lila Bögen, die über die gesamte Würfeloberfläche fliegen.



Natürlich gibt es auch ein Innen, aber wenn man nicht am Tag der (russischen) Führung da ist, muss man Mitglied werden um reinzudürfen – also bin ich jetzt stolzer Besitzer eines Ausweises der Weißrussischen Nationalbibliothek mit Bild und meinem Namen in kyrillisch. Dafür haben sie meinen Reisepass eingescannt, was einen interessanten Hintergrund ergibt und kein Lächeln wegen biometrischem Bild. Die Bibliothek ist wie man es erwartet, also Kunst, Lesesäle und Bücher, es gibt angeblich auch Bücher in anderen Sprachen, das habe ich aber nicht überprüft.

Eine weitere sehr nette Sache an Minks und Weißrussland im Allgemeinen ist die geradezu blitzblanke Sauberkeit. Da liegt kein Papierfetzen auf dem Boden, weder auf der Straße, noch in den U-Bahn-Stationen. Es lagen zehn bis zwanzig Zentimeter Schnee und es kam immer wieder neuer dazu, aber dort schafft man es, jede Straße bis zum Randstein sauber zu halten. Keine Schneehaufen am Rand, kein Matsch auf der Straße oder auf dem Gehsteig, was ich ziemlich beeindruckend finde, wenn man bedenkt, wie gewisse andere Länder, die sich für weiter entwickelt halten, mit Schnee zurecht kommen. Das hängt vielleicht wieder mit dem Kontrast zum schäbigen Manchester zusammen, wo man auf der Straße ständig durch Dreck, Müll und sonstige Flüssigkeiten läuft, aber ich bin immer noch schwer beeindruckt, wie sauber man eine Stadt von 1.8 Millionen Einwohnern halten kann.

Verkehr in Minsk fühlt sich im Auto sitzend ein bisschen chaotisch an, funktioniert aber gut. Fußgänger bleiben an roten Ampeln stehen – was durchaus sinnvoll ist, wenn man heil eine achtspurige Straße überqueren will – und in der Stadtmitte haben sie hübsche Fußgängerampeln mit Countdown in Sekunden bis zum grünen Licht und dann wieder bis zum roten Licht. Die U-Bahn mit zwei Linien funktioniert bestens – erwähnte ich, dass man fast vom Boden essen kann, auch wenn ständig Leute mit vom Schnee dreckigen Schuhen reinkommen?

Die politische Situation in Weißrussland dürfte ja bekannt sein und vielleicht ist das, was ich so toll finde, eigentlich ein Merkmal eines Polizeistaates. Zugegeben, es gibt merkliche Polizeipräsenz auf der Straße und man ist gut beraten, mit ihnen nicht über Politik zu sprechen. Allerdings sind sie ganz hilfreich und nicht weniger unfreundlich als normale Leute. Ich war darauf vorbereitet, nach Reisepass, Visum, Registrierung und weiteren Dokumenten mit meinem Bild gefragt zu werden, bin aber fast enttäuscht, dass das nie passiert ist.

Ein weiteres Abenteuer ist die Sprach- und Schriftbarriere. Man kann von normalen Leuten nicht erwarten, dass sie etwas außer Russisch und Weißrussisch sprechen und man braucht ein fotografisches Gedächtnis, um Schilder zu lesen und wiederzuerkennen, wenn man nicht mit kyrillischer Schrift vertraut ist. Außer einsamen Russisch-Englischen Wegweisern an jedem Ende eines Parks, gibt es sonst nichts lesbares.

Allerdings ist Minsk eine sehr angenehme Stadt, wenn man mit Einheimischen unterwegs ist, mit denen man eine Sprache gemeinsam hat und darüber werde ich in weiteren Einträgen schreiben, also dranbleiben.

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